AcroYoga: Vertrauen durch Fallenlassen
In seinem Podcast interviewt Tim Ferriss Jason Nemer, den Mitbegründer von AcroYoga, das für viele die spirituelle Weisheit von Yoga und die liebevolle Fürsorge einer Thai-Massage mit der dynamischen Kraft von Akrobatik verknüpft. Dabei unterhalten sie sich unter anderem darüber, wie AcroYoga entstanden ist, worin dessen Stärken liegen und was Jason Nemer noch für Pläne hat.
Die Geburt von AcroYoga
Nemer war bereits als Jugendlicher in der Akrobatik – Ferriss beschreibt dies als eine Mischung aus Turnen und Eiskunstlauf – aktiv und vertrat die USA 1991 bei den Weltmeisterschaften in Peking. Während seines Studiums kam er mit Yoga in Kontakt, lebte anschließend in San Francisco, gab Yogaunterricht und arbeitete in Restaurants. Auf einer Party lernte er schließlich Jenny Sauer-Klein kennen, die Erfahrungen mit Heilkünsten („healing arts“), insbesondere dem therapeutischen Fliegen, hatte. Sie kamen ins Gespräch und probierten jeweils Posen aus dem Repertoire des anderen, verknüpften diese.
Dabei habe es einfach geklickt – AcroYoga wurde mehr oder weniger als Kombination beider Disziplinen noch an diesem Abend entwickelt. Mittlerweile gibt es in etwa 55 Ländern zertifizierte Lehrer, die entsprechende Kursen.
Verbindung von Yoga mit Cirque-du-Soleil-Kunststücken
Ferriss, der selbst seit einem Jahr dreimal die Woche AcroYoga ausübt, behauptet, die Kombination der drei Traditionslinien „Akrobatik, Yoga und Heilkünste“ habe vor allem seine Flexibilität und Mobilität gesteigert – insbesondere die seiner Hüfte, der Knie sowie und anderer Gelenke. AcroYoga verstärke zudem kontinuierlich seine Zugkraft. Und die Effekte – insbesondere die Schmerzlinderung – seien vergleichsweise langfristig und würden sich besser anfühlen als beispielsweise eine Ibuprofen. Praktisch sei AcroYoga in etwa das das, was der Cirque du Soleil zeige.
Aber dahinter stecke viel mehr: Durch AcroYoga werden Vertrauen sowie die Verbindung zueinander gestärkt und die Leute spielerisch mit sich selbst, miteinander und dem Göttlichen in Einklang gebracht. Denn während für die Akrobatikelemente Kraft aufgewendet werde, werde gleichzeitig dem Grundprinzip von Yoga gerecht, nach welchem den „geforderten Muskeln“ immer entgegengesteuert werde, um zu einem Gleichgewicht zurückzuführen. Darüber hinaus werde durch die angewandten Heilkünste wie Thai-Massage und das therapeutische Fliegen ermöglicht, in Entspannung und wohlwollender Hingabe einzutauchen.
AcroYoga wird in aller Regel zu zweit, manchmal auch zu dritt durchgeführt. Dabei ist eine Person die „Base“ und eine der „Flyer“. Der Flyer übergibt sich dabei vollkommen der Kontrolle der Base und der Schwerkraft, die der eigentliche Therapeut beim AcroYoga ist. Dabei ist Kommunikation zwischen den Beteiligten genauso wichtig wie das Hineinhorchen in den eigenen Körper, dessen Grenzen ausgelotet und durch AcroYoga sukzessiv verschoben werden. Menschen verfügen laut Nemer allgemein über einen starken Willen, zugleich aber auch über einen zerbrechlichen Körper.
Daher müsse man lernen, wo Schluss sei, ab wann man nicht mehr pushen könne, ohne sich zu verletzen. Gerade die therapeutische Seite von AcroYoga unterstütze diesen Prozess. Ferriss bestätigt das, indem er sagt, er habe vor AcroYoga – zumindest bei seinen Sportarten – immer mehr auf Kraft gesetzt und sich stärker auf die physische Seite konzentriert, da er eher der Typ sei, der pusht, sich antreibt und treibt, bis er sich schließlich verletzt.
Durch AcroYoga habe gelernt, sich selbst besser zu kalibrieren und sich seiner und der Grenzen seines Körpers bewusster zu werden.
ATB: Alignment, Tightness & Balance
Für jede akrobatische Figur wie beispielsweise einen Handstand sei das, was Nemer mit „ATB“ abkürzt, ausschlaggebend. ATB steht für Alignment (Körperausrichtung), Tightness (Körper zu einer Einheitformen) und Balance (Gleichgewicht) . Nemer verwendet hierzu den Vergleich mit einer Brücke, wobei die die Brücke tragenden Metallpfeiler die Knochen sind, die zunächst in korrekter Weise ausgerichtet werden müssen, bevor die Muskeln den die Brücke formenden Zement bilden können, indem sie sich um die „Pfeiler“ spannen.
Zudem müsse man über Flexibilität, Kraft und Technik verfügen. Eine effiziente Nutzung von Kraft, setze Flexibilität voraus, weshalb beides im Einklang, in Richtung eines paritätischen Verhältnisses, entwickelt werden muss. Mit der richtigen Technik könne man aber erst Kraft und Flexibilität so effizient wie möglich einsetzen.
AcroYoga-Bolero
Analog zu Ravel, der seinen Bolero komponiert habe, um die Instrument eines Orchesters zu vereinen, oder zu Einstein, der physikalische Theorien zu einem Gesamtkonzept vereint habe, möchte Nemer eine Sequenz entwickeln, die die bedeutendsten Figuren des AcroYogas verknüpft. Ihm schwebt dabei eine jeweils eigene Sequenz für jedes Niveau vor – eine für Anfänger, Fortgeschrittene und Profis.
Durch diese Sequenzen würden die Leute vielleicht ein besseres Bild davon bekommen, wohin die Reise letztendlich hingehen soll. Die Idee wurde übrigens von Ferriss angestoßen, der seinem Naturell entsprechend irgendwann nach einer derartigen Sequenz fragte.
Wer mehr über Jason Nemer und dessen nomadisches Leben, das er hauptsächlich mit einem Koffer, einem Rucksack mit Notebook, Notizbüchern und geschenkten Kleinigkeiten von Schülern, einer Ukulele sowie einigen Wurfmessern und Frisbees verbringt, wissen möchte, kann sich die Podcast-Folge anhören unter:
http://tim.blog/2016/08/24/jason-nemer/
Diejenigen, die sich AcroYoga auch mal anschauen wollen (Tim und Jason zeigen einige Übungen), kommen hier auf ihre Kosten: